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Wer heute in Deutschland gemeinsam mit einer Gemeinde Baurecht entwickeln will, hat sich schon daran gewöhnt, dass die Gemeinde ihre Bereitschaft zur Planung u.a. davon abhängig macht, dass der sog. Vorhabenträger die Gemeinde von den Kosten der Planung, der Erschließung und von Folgekosten freistellt. Dies ist im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages nach § 11 BauGB grundsätzlich zulässig, unterliegt aber den in dieser Bestimmung enthaltenen gesetzlichen Grenzen.

In der Praxis vieler Gemeinden muss sich der Vorhabenträger als Voraussetzung für die gemeindliche Bauleitplanung nicht nur zu Herstellung von öffentlichen Grünflächen, einschließlich der integrierten Kinderspielflächen, der öffentlichen Straßenraumbegrünung sowie der Ausgleichsflächen verpflichten, sondern den Pflege- und Unterhaltungsaufwand durch eine kapitalisierte Einmalzahlung auch noch ablösen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass solche Folgemaßnahmen eine an sich zeitlich unbeschränkte Lebensdauer haben (müssen), wird in vielen Gemeinden über einen Kapitalisierungszeitraum von 30 Jahren und mehr nachgedacht. Dies führt zu einer erheblichen wirtschaftlichen Zusatzbelastung des Vorhabenträgers.

In einem aktuellen Beschluss vom 02.06.2020 (1 MN 116/19) hat nun das OVG Lüneburg diesen Entwicklungen erstmals zeitliche Grenzen aufgezeigt und dabei folgendes ausgeführt:

„Die vereinbarte Übernahme der auf 20 Jahre kapitalisierten Pflegekosten der allgemeinen öffentlichen Grünflächen einschließlich integrierter Kinderspielflächen, des Jugendplatzes und der öffentlichen Straßenraumbegrünung sowie der Ausgleichsflächen wird sich voraussichtlich als unwirksam erweisen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB kann Gegenstand eines städtebaulichen Vertrages die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen sein, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Der Senat lässt dahinstehen, ob die langfristige Pflege öffentlicher Grünflächen – anders als etwa eine anfängliche Fertigstellungs- und Entwicklungspflege – noch als „städtebauliche Maßnahme“ i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 BauGB angesehen werden kann (skeptisch insoweit Mitschang, BauR 2003, 183). Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen Kausalität zwischen Vorhaben und Maßnahme (ebenso OLG Hamm, Urt. v. 12.12.2002 - 22 U 81/02; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 11 BauGB Rn. 159, Stand: Februar 2017; Bank, in: Brügelmann, § 11 BauGB Rn. 73, 74, Stand: Februar 2014). Das Kausalitätserfordernis als Voraussetzung für die Wirksamkeit von Folgekostenverträgen soll einerseits den „Ausverkauf von Hoheitsrechten“ verhindern, d.h. sicherstellen, dass planende Gemeinden sich in ihrer Abwägung nicht von der Verlockung beeinflussen lassen, dass Bauwillige ihr im Gegenzug für die Einräumung von Baurecht Maßnahmen finanzieren, die die Gemeinde anderenfalls selbst bezahlen müsste. Gleichzeitig soll es den Bauwilligen ermöglicht werden, der Gemeinde Kosten abzunehmen, die sie abwägungsfehlerfrei zum Anlass nehmen könnte, von einer Bauleitplanung abzusehen. Mit Blick auf die Kosten der laufenden Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen gilt dabei: Je weiter der Unterhaltungszeitraum in die Zukunft ausgedehnt wird, desto schwerer fällt es, einen nach den vorgenannten Maßgaben relevanten Kausalzusammenhang zu konstruieren. Die Ausweisung eines neuen Baugebiets hat regelmäßig den Zuzug von Einwohnern zur Folge, aus deren Abgaben die Unterhaltung der ihren Bedürfnissen dienenden öffentlichen Einrichtungen finanziert werden kann. Die Abwälzung der Unterhaltungskosten auf einen Vorhabenträger liefe darauf hinaus, dass die Gemeinde dauerhaft ein Baugebiet mit denselben fiskalischen Vorteilen, aber ohne die finanziellen Lasten ihrer „Altbaugebiete“ erhielte. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob es vor diesem Hintergrund zulässig ist, in einer Anfangsphase, in der einer Gemeinde für ein Baugebiet bereits vor dessen weitgehender Ausnutzung die vollen Unterhaltskosten entstehen, diese jedenfalls teilweise vertraglich dem Vorhabenträger aufzuerlegen. Ein Zeithorizont von 20 Jahren ist aber in jedem Fall deutlich zu lang bemessen (ebenso Kukk, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 11 Rn. 51)" (Hervorhebungen im vorstehenden Text durch den Unterzeichner).

Die Überlegungen das OVG Lüneburg müssten dazu führen, dass die gemeindlichen Modelle auch in Nordrhein-Westfalen, die eine Ablösung des Unterhaltungsaufwandes über Zeiträume von mindestens 30 Jahre vorsehen, mangels hinreichender Kausalität unwirksam wären. Dies kann im Einzelfall zur Gesamtunwirksamkeit des städtebaulichen Vertrages und zur Unwirksamkeit eines hierauf gestützten Bebauungsplans führen. Noch gibt es keine vergleichbare Entscheidung des für NRW zuständigen OVG in Münster. Gerade die sehr weitreichenden Folgen unzulässiger Vereinbarungen sollten die Gemeinden jedoch dazu veranlassen, bei der Belastung des Vorhabenträgers jedenfalls mit längerfristigen Unterhaltungs- und Pflegekosten Zurückhaltung zu üben.

Ihr Ansprechpartner:

michael oerder gr

Dr. Michael Oerder
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Telefon: 0221-973002-73
E-Mail: m.oerder[at]lenz-johlen.de

 

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