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Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) in Kraft getreten. Am 14.11.2007 ist das Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umweltschadensgesetz – USchadG) in Kraft getreten. Das Umweltschadensgesetz setzt die europäische Umwelthaftungsrichtlinie (Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.1004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, ABlEU 2004 Nr. L 143, S. 56), die bereits bis zum 30.4.2007 in das nationale Recht umzusetzen war. Ziel des Gesetzes ist es, auf der Grundlage des Verursacherprinzips eine Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von näher definierten Umweltschäden zu schaffen.
1. Sachlicher Anwendungsbereich
Das Gesetz gilt für Schädigungen der Gewässer, des Bodens sowie von Arten und natürlichen Lebensgrundlagen, die seit dem 30.4.2007 verursacht worden sind sowie für unmittelbare Gefahren solcher Schäden. Das Umweltmedium Luft ist als Schutzgut nicht erfasst, wohl aber als Belastungspfad. Die Stichtagsregelung lässt Schwierigkeiten im Vollzug bei der Abgrenzung zwischen den von dem USchadG erfassten und den aus dem Anwendungsbereich heraus fallenden Schäden erwarten.
Die genaue Bestimmung der in den Anwendungsbereich des USchadG fallenden Umweltschäden ergibt sich aus dem jeweiligen Fachgesetz, d.h. aus dem Wasser-, Bodenschutz- und Naturschutzrecht. So bestimmt § 22a WHG, dass eine Schädigung der Gewässer i.S. des Umweltschadensgesetzes der Schaden ist, der erhebliche nachteilige Auswirkungen auf (1) den ökologischen oder chemischen Zustand eines oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers, (2) das ökologische Potential oder den chemischen Zustand eines künstlichen oder erheblich veränderten oberirdischen Gewässers oder Küstengewässers oder (3) den chemischen oder mengenmäßigen Zustand des Grundwassers hat, mit Ausnahme der nachteiligen Auswirkungen, für die § 25d Abs. 3, § 32c i.V. mit § 25d Abs. 3 und § 33a Abs. 4 S. 2 WHG gelten. Unter die zuletzt genannten §§ fallen insbesondere unvermeidbare oder im öffentlichen Interesse liegende Beeinträchtigungen. Eine Definition der „Erheblichkeit“ der nachteiligen Auswirkungen findet sich nicht. Auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz kennt in § 3 Abs. 1 die Schwelle der Erheblichkeit. Dort erfolgt durch die Erheblichkeit eine Abgrenzung zum Bagatellschaden. Im Hinblick auf die hohe Bedeutung des Schutzguts Wasser wird allerdings im Schrifttum vertreten, dass die Einschränkung über eine bloße Bagatellgrenze hinausgeht. Insoweit bleibt Unsicherheit im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Umweltschadensgesetzes.
Ein Umweltschaden liegt gemäß § 2 Nr. 1 c) USchadG weiterhin vor bei einer Schädigung des Bodens durch eine Beeinträchtigung der Bodenfunktionen i.S. des § 3 Abs. 2 BBodSchG, die durch eine direkte oder indirekte Einbringung von Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen auf, in oder unter den Boden hervorgerufen wurde und Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht. Der Begriff des Bodens wird im Umweltschadensgesetz nicht definiert. Auch enthält das Umweltschadensgesetz keinen Verweis auf die Begriffsdefinition im Bundes-Bodenschutzgesetz. Demgemäß ist davon auszugehen, dass vom Umweltschadensgesetz alle Erdschichten erfasst sind, die die Bodenfunktionen des § 2 Abs. 2 BBodSchG erfüllen. Anders als der Wasserschaden nach dem Umweltschadensgesetz hängt der Bodenschaden nicht von der Erheblichkeit der Beeinträchtigung ab. Der Bodenschaden verlangt vielmehr eine Gefahr für die menschliche Gesundheit. Grenzwerte hierzu nennt das Umweltschadensgesetz nicht. Gemäß der Begründung zum Umweltschadensgesetz soll bei der Beurteilung einer Gefahr für die menschliche Gesundheit auf ein Risikobewertungsverfahren zurückgegriffen werden. Es ist damit zu rechnen, dass hierbei auf die Prüf- und Maßnahmenwerte der Bundes-Bodenschutzverordnung für den Wirkungspfad Boden-Mensch sowie den einschlägigen technischen Regelwerken zurückgegriffen wird.
Eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensgrundlagen stellt schließlich nach Maßgabe des § 21a BNatSchG einen Umweltschaden dar, wenn er erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat. Der Begriff der Erheblichkeit wird ebenso wie die Begriffe der Arten und natürlichen Lebensräume in § 21a Abs. 2, 3 und 5 BNatSchG näher erläutert.
2. Persönlicher Anwendungsbereich
Eine Haftung nach dem Umweltschadensgesetz kommt nur bei betrieblichen Tätigkeiten in Betracht. Unter einer beruflichen Tätigkeit ist gemäß § 2 Nr. 4 USchadG jede Tätigkeit zu verstehen, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, einer Geschäftstätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird. § 3 Abs. 1 Nr. 1 USchadG begründet eine verschuldensunabhängige Haftung für bestimmte, in der Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz abschließend aufgeführte Tätigkeiten. Hierunter fallen insbesondere der Betrieb von Anlagen nach der IVU-Richtlinie 96/61/EG sowie bestimmte, in der Anlage 1 zum Umweltschadensgesetz näher aufgeführten erlaubnispflichtigen Gewässerbenutzungen. Schädigungen, die durch andere als die in der Anlage 1 genannten Tätigkeiten verursacht werden, werden nur dann erfasst, wenn es sich um Schädigungen von Arten und natürlichen Lebensräumen handelt und diese vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt worden sind.
Die Haftung trifft den Verantwortlichen i.S. des § 2 Nr. 3 USchadG. Verantwortlicher ist jede natürliche oder juristische Person, die eine berufliche Tätigkeit ausübt oder bestimmt, einschließlich der Inhaber einer Zulassung oder Genehmigung für eine solche Tätigkeit oder der Person, die eine solche Tätigkeit anmeldet oder notifiziert, und dadurch unmittelbar einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht hat. Als Verantwortliche kommen demnach das Unternehmen als solches und der jeweils handelnde Mitarbeiter in Betracht. Aber auch die persönliche Haftung von Leitungsorganen, wie Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern kann derzeit nicht rechtssicher ausgeschlossen werden. Denn nach § 2 Nr. 3 USchadG ist Verantwortlicher u.a. jede Person, die „eine berufliche Tätigkeit bestimmt“. Das Umweltschadensgesetz enthält damit, nicht zuletzt aufgrund der derzeit fehlenden Haftungshöchstgrenze, ein erhebliches Haftungsrisiko.
3. Informations-, Vermeidungs-/Gefahrenabwehr- und Sanierungspflichten
Das Umweltschadensgesetz enthält Informations-, Gefahrenabwehr- und Sanierungspflichten. Besteht die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens oder ist ein Umweltschaden eingetreten, hat der Verantwortliche die zuständige Behörde unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, über alle bedeutsamen Aspekte des Sachverhalts zu unterrichten. Die Informationspflicht beinhaltet nicht die Pflicht zu weitergehenden Untersuchungsmaßnahmen oder zur Beauftragung von Sachverständigen. Teilweise wird vertreten, dass die Informationspflicht begrenzt ist, wenn der Verantwortliche Betriebsgeheimnisse offenbaren oder sich selbst belasten müsste. Entsprechende Informationspflichten finden sich bereits in den Wasser- und Bodenschutzgesetzen der Länder (z.B. § 2 LBodSchG NRW).
Besteht die unmittelbare Gefahr eines Umweltschadens hat der Verantwortliche gemäß § 5 USchadG unverzüglich die erforderlichen Vermeidungsmaßnahmen zu treffen. Der Begriff der unmittelbaren Gefahr wird in § 2 Nr. 5 USchadG definiert als hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ein Umweltschaden in naher Zukunft eintreten wird. Unter Vermeidungsmaßnahme ist gemäß § 2 Nr. 6 USchadG jede Maßnahme zu verstehen, um bei einer unmittelbaren Gefahr eines Umweltschadens diesen Schaden zu vermeiden oder zu minimieren. Die Pflicht besteht unmittelbar aufgrund des Gesetzes. Einer behördlichen Anordnung bedarf es folglich nicht mehr.
Ist ein Umweltschaden eingetreten, so hat der Verantwortliche gemäß § 6 USchadG (1) die erforderlichen Schadensbegrenzungsmaßnahmen vorzunehmen und (2) die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Art und Umfang der Sanierungsmaßnahme bestimmt sich nach dem jeweiligen Fachgesetz, d.h. nach dem Wasser-, Bodenschutz oder Naturschutzrecht. Die für den Sanierungsumfang einschlägigen Bestimmungen des Wasser- und Naturschutzrechts (§ 22a Abs. 2 WHG, § 21a Abs. 4 BNatSchG) verweisen auf die europäische Umwelthaftungsrichtlinie. Danach gibt es drei Sanierungsstufen – primäre Sanierung, ergänzende Sanierung und Ausgleichssanierung. Die primäre Sanierung stellt nicht – wie das Polizei- und Ordnungsrecht – auf die Beseitigung einer Gefahr ab, sondern auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Gewässers bzw. des Naturhaushalts. Lässt sich der Ausgangszustand nicht wiederherstellen, so ist eine ergänzende Sanierung vorzunehmen. Mit der ergänzenden Sanierung soll, ggfs. an einem anderen Ort, der Zustand hergestellt werden, der dem Ausgangszustand des geschädigten Ortes nahekommt. Mit der Ausgleichssanierung sollen schließlich die Verluste ausgeglichen werden, die vom Zeitpunkt des Schadenseintritts bis zu dem Zeitpunkt, in dem die primäre Sanierung ihre Wirkung entfaltet, entstehen.
Das Bundes-Bodenschutzgesetz enthält keine solche Verweisung auf die europäische Umwelthaftungsrichtlinie, so dass es bei den Sanierungsvorgaben des Bundes-Bodenschutzgesetzes bleibt.
4. Abgrenzung zu sonstigen Haftungsnormen
Das Umweltschadensgesetz zielt auf den Ausgleich des Umweltschadens selbst. Die Umweltgüter als solche werden geschützt. Die Umweltgefährdungshaftung des Umwelthaftungsgesetz setzt dagegen – ebenso wie die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen nach §§ 1004, 906 Abs. 2 S. 2 BGB und § 823 BGB – an dem Ausgleich der erlittenen Schäden an Individualrechtsgüter (wie z.B. das Eigentum) an. Ein Ausgleich ökologischer Schäden ist bisher bereits über die ordnungsbehördliche Generalklausel (z.B. § 14 OBG NW) oder über Vorschriften der Fachgesetze (wie z.B. § 4 Abs. 2, 3 BBodSchG) möglich. Soweit diese weitergehende Anforderungen enthalten bleiben sie gemäß § 1 S. 2 USchadG unberührt. Dabei können sich weitergehende Anforderungen durch einen weitergehenden Anwendungsbereich und durch strengere inhaltliche Anforderungen ergeben. In der Praxis wird diese Regelung zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen.
5. Kostentragungspflicht
Die Kosten für die Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs- und Sanierungsmaßnahmen trägt gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 USchadG grds. der Verantwortliche. Den Ländern bleibt es überlassen, hiervon Ausnahmen für die Verwirklichung von Normalbetriebsrisiken oder von Entwicklungsrisiken vorzusehen. Derzeit haben die Länder von dieser Freistellungsoption noch keinen Gebrauch gemacht.
Das Umweltschadensgesetz enthält keine Haftungshöchstgrenze. Demgemäß ist eine Ermittlung des Haftungsrisikos nicht zu letzt für die Versicherungen schwierig.
Gibt es mehrere Verantwortliche steht diesen untereinander gemäß § 9 Abs. 2 USchadG ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch zu. Die Vorschrift ist im Wesentlichen § 24 Abs. 2 BBodSchG nachgebildet. Der Ausgleichsanspruch kann durch vertragliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Demgemäß gilt es, diesen Ausgleichsanspruch in die bereits vielfach in Grundstückskaufverträgen verwendeten sog. Altlastenklauseln aufzunehmen.
6. Antrags- und Klagerechte von Betroffenen und Umweltvereinigungen
Die §§ 10 und 11 USchadG sehen Antrags- und Klagerechte von privaten Dritten sowie von Umweltverbänden vor. Betroffene sowie näher bezeichnete Umweltverbände können die Behörde zur Durchsetzung der Sanierungspflichten gegenüber dem Verantwortlichen auffordern. Lassen die zur Begründung des Antrags vorgebrachten Tatsachen den Eintritt eines Umweltschadens glaubhaft erscheinen hat die Behörde tätig zu werden. Lehnt die Behörde den Antrag ab, so kann der Antragsteller gegen diese ablehnende Entscheidung Klage einreichen. Darüber hinaus ist die Behörde nach § 8 Abs. 4 USchadG verpflichtet, den antragsberechtigten Personen Informationen über vorgesehene Sanierungsmaßnahmen zu übermitteln.

Dr. Inga Schwertner
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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