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BGH-Entscheidung vom 30.11.2012

Der Bundesgerichtshof hat – anders noch als die beiden Vorinstanzen (LG Berlin und KG Berlin) – der Klage des Käufers einer Eigentumswohnung in einer Wohnanlage auf Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung der Wohnung sowie auf Freistellung weiterer ihm durch den Erwerb entstandenen Verbindlichkeiten stattgegeben.

Das Berufungsgericht hatte die Klage unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Belastung des Grundwassers, das kein Bestandteil des Grundstücks ist, für sich genommen keinen Mangel begründen könne. Dem gegenüber sieht der BGH einen Sachmangel eines Grundstücks im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB auch dann als gegeben an, wenn zwar nicht der Boden, aber das durch das Grundstück fließende Grundwasser mit giftigen Schadstoffen belastet ist. Unerheblich sei insoweit, dass das Grundwasser, auf das sich das Eigentumsrecht des Verkäufers am Grundstück nicht erstrecke, nicht Teil der Kaufsache sei. Die den Mangel auslösende Beschaffenheit der Kaufsache werde in diesem Fall durch die tatsächliche Beziehung des Grundstücks zu seiner Umwelt begründet, nämlich durch dessen Nachbarschaft zu einem kontaminierten Grundstück, von dem aus Schadstoffe über das Grundwasser emittiert werden. Nicht erforderlich sei für das Bejahen eines solchen Sachmangels, dass das verkaufte Grundstück selbst kontaminiert ist.

Frei von Sachmängeln im Sinne des § 434 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauGB ist eine Sache weiterhin nur dann, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass die Kaufsache zwar zur gewöhnlichen Verwendung (zum Wohnen) geeignet sein möge, weil schädigende Einwirkungen durch von dem kontaminierten Grundwasser ausgasenden Cyanwasserstoffs weder auf die Hausbewohner noch auf Anpflanzungen zu erwarten seien. Die Kaufsache weise aber nicht die übliche Beschaffenheit eines zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks auf. Zu dieser Beschaffenheit gehöre die Freiheit von nicht nur unerheblichen Kontaminationen des Grundwassers. Mit den giftigen Stoffen seien nämlich besondere Gefahren und Risiken verbunden, die ein Käufer in der Regel ohne Weiteres nicht hinzunehmen bereit sei. Solche ergäben sich schon daraus, dass das Grundwasser in besonderen Situationen (Hochwasserlagen) an die Erdoberfläche treten und in die Untergeschosse eindringen könne.

Die Vertragsparteien hatten in ihrem notariellen Kaufvertrag einen Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart. Auch war das Grundstück als Altlastenverdachtsfläche veräußert worden. Der Bundesgerichtshof stützte den Anspruch auf die Arglisthaftung. Ein einen Anspruch des Käufers begründendes arglistiges Verschweigen setzt neben der Kenntnis des Verkäufers von dem Mangel voraus, dass der Verkäufer weiß oder zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbartem Inhalt geschlossen hätte. Dabei führt der Bundesgerichtshof aus, dass der Käufer nicht nur über Schadstoffbelastungen des verkauften Grundstücks selbst informieren müsse, sondern auch über die Zuführung von giftigen Schadstoffen, die von einem kontaminierten Nachbargrundstück ausgingen. Das bewusste Zurückhalten solcher Informationen stelle sich als ein arglistiges Verschweigen des Mangels dar. Ob die Beklagte die Kontamination des Grundwassers rechtlich zutreffend als Sachmangel gewürdigt habe, sei hierbei ohne Belang.

Praxishinweis:

Grundstückskaufverträge, die sich auf (möglicherweise) mit schädlichen Bodenveränderungen belastete Grundstücke beziehen, führen in der Praxis nicht selten dazu, dass es hinterher zur Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien kommt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Vertrag (umfangreiche) Regelungen zu schädlichen Bodenveränderungen und der Haftungsfrage hierzu enthält. Den Vertragsparteien ist nicht selten die Bedeutung der Regelung nicht bekannt. Auch enthalten die Regelungen nicht immer sämtliche wesentliche Fallgestaltungen. Die finanzielle Belastung ist regelmäßig nicht unerheblich. Die Vertragsparteien sollten die kaufvertraglichen Regelungen daher im Vorfeld genau prüfen, um sich spätere Auseinandersetzungen und ein „böses Erwachen“ zu ersparen.

Dr. Inga Schwertner
Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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