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Mit seinem Urteil vom 3. Oktober 2019 – Rs. C-197/18 hat der EuGH ein weiteres Mal die Klagerechte von Betroffenen in Bezug auf Umweltbelange gestärkt. Ein Klagerecht ist hiernach nicht erst dann zu bejahen, wenn eine Gesundheitsgefährdung besteht; vielmehr reicht bereits die Überschreitung der europarechtlich festgelegten Nitratwerte.

1.
Ausgangspunkt des Verfahrens sind Bescheide der zuständigen österreichischen Behörde, mit denen Anträge auf Fortschreibung der Verordnung Aktionsprogramm Nitrat 2012 zurückgewiesen worden sind. Hiergegen erhoben der Wasserleitungsverband Burgenland, die Gemeinde Zillingdorf und eine Privatperson Klage vor dem VG Wien. Die Nitratgrenzen im Grundwasser wurden bei allen drei Klägern zum Teil erheblich überschritten. Das VG Wien sah nach österreichischem Recht kein subjektiv betroffenes Recht der Kläger und wendete sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

2.
Die europäische Nitrat-Richtlinie verlangt zur Verringerung der durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachten Gewässerverunreinigungen und zur Vorbeugung weiterer Gewässerverunreinigungen dieser Art die Festlegung von Aktionsprogrammen.
Erst im vergangen Jahr wurde Deutschland verurteilt. In seinem Urteil vom 21. Juni 2018 – C-543/16 kommt das Gericht zu dem Schluss, dass das im Jahr 2014 geltende Aktionsprogramm zur Umsetzung der Nitratrichtlinie, im Wesentlichen die damals gültige Düngeverordnung, nicht ausreichend war, um die Ziele der Nitratrichtlinie (Verringerung und Vorbeugung des Eintrags von Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen in die Gewässer) zu erreichen.

3.
Der EuGH entschied im Hinblick auf die Klagebefugnis, dass alle 3 Kläger von der Gefahr einer Überschreitung der Nitratgrenzwerte unmittelbar betroffen sind. Eine Betroffenheit könne auch dann vorliegen, wenn die Grenzwertüberschreitung nicht zu einer Gesundheitsgefährdung führe, jedoch hierdurch die Nutzungsmöglichkeit des Wassers für den Betroffenen eingeschränkt werde. Entscheidend für eine Klagebefugnis sei die Zielsetzung der Richtlinie.
Nach Auffassung des EuGH würde die praktische Wirksamkeit eines europäischen Rechtsakts abgeschwächt, wenn Bürger sich nicht darauf berufen könnten, dass der Mitgliedstaat einer ihm nach der Richtlinie obliegenden Pflicht nicht nachkommt. Zumindest natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von einer Verletzung der Richtlinienbestimmung betroffen sind, können daher die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen einfordern.

Praxistipp:
Mit seinem Urteil vom 3. Oktober 2019 schreibt der EuGH seine Rechtsprechung zu Klagemöglichkeiten in Bezug auf Umweltbelange fort. Die Entscheidung ist nicht nur isoliert für die Vorgaben der Nitratrichtlinie zu sehen. Die Klagebefugnis kann in Bezug auf europarechtlich geschützte Umweltbelange nicht bereits dann verneint werden, wenn eine Gesundheitsgefährdung nicht vorliegt. Vielmehr ist generell das Ziel des jeweiligen europäischen Rechtsakts in den Blick zu nehmen. Sobald europarechtlich geschützte Umweltbelange von Relevanz sind, ist die Frage der Angreifbarkeit durch Dritte in besonderem Maße relevant.

Als nächstes in dieser „Rechtsprechungsreihe“ des EuGH wird nun die Entscheidung zu dem Vorlagebeschluss des BVerwG vom 25.04.2018 hinsichtlich der Wasserrahmenrichtlinie erwartet. In diesem Verfahren geht es (u.a.) um die Frage, ob die Verletzung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots durch die betroffene Öffentlichkeit gerichtlich geltend gemacht werden kann.

 Ihre Ansprechpartnerin:

Dr Inga Schwertner

Dr. Inga Schwertner
Fachanwältin für Verwaltungsrecht
Telefon: 0221-973002-18
E-Mail: i.schwertner[at]lenz-johlen.de

 

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