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Aktuelle Gesetzesänderungen
Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung (BauO NRW) vom 22.12.2011 die Genehmigungsfreistellung der Errichtung von Solaranlagen neu gefasst. Die Genehmigungsfreistellung von Solaranlagen wurde um die mit Solaranlagen etwaige verbundene Änderung der Nutzung und der äußeren Gestalt des Gebäudes erweitert (§ 65 Abs. 1 Nr. 44a und Abs. 2 Nr. 3 BauO NRW).

Der Bundesgesetzgeber hat durch das "Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden" vom 22.07.2011 einen neuen Privilegierungstatbestand für Solaranlagen als Nr. 8 in § 35 Abs. 1 BauGB aufgenommen. Danach sind im Außenbereich Vorhaben privilegiert, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden dienen, wenn sie dem jeweiligen Gebäude untergeordnet sind.

Hintergrund
Beide Gesetzesänderungen sind eine Reaktion auf eine Entscheidung des OVG NRW (Beschl. v. 20.09.2010 - 7 B 985/10-, NWVBl. 2011,58), in der es die Anbringung und Nutzung einer Solaranlage auf einer landwirtschaftlich privilegierten Reithalle als gewerbliche Nutzung der Dachfläche durch einen Dritten und damit als baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung qualifiziert hat. Dieselbe Rechtsauffassung hatte das Gericht bereits früher zur ähnlichen Fallgestaltung der Errichtung einer Mobilfunkanlage auf einem Gebäude vertreten (Beschl. v. 29.04.2002 - 10 B 78/02 -, BRS 65 Nr. 202). Auch seinerzeit reagierte der Landesgesetzgeber umgehend mit der Novellierung des § 65 Abs. 1 Nr. 18 BauO NRW a.F., durch die auch die Nutzungsänderung des Gebäudes genehmigungsfrei gestellt wurde. Gleichzeitig hat der Landesgesetzgeber mit der Regelung des § 74a BauO NRW ein auf Ausnahmen und Befreiungen nach dem Bauplanungsrecht beschränktes präventives Prüfverfahren eingeführt, das auch auf die nunmehr insgesamt genehmigungsfrei gestellten Solaranlagen anzuwenden ist.

Hinweise für die Praxis
Die Privilegierung von Solaranlagen im Außenbereich und die neu gefasste Genehmigungsfreistellung ermöglichen es zwar nun dem Bauherrn, ohne Baugenehmigung z.B. auf einem im Außenbereich zulässigerweise genutzten Gebäude Solaranlagen zu errichten und den erzeugten Strom selbst zu verbrauchen oder auch vollständig ins öffentliche Stromnetz einzuspeisen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit vieler kleiner Solaranlagen im planungsrechtlichen Innenbereich bleibt aber auch nach den aktuellen Novellierungen fraglich. 

Die Frage der Zulässigkeit von gewerblich genutzten Solaranlagen auf Wohngebäuden stellt sich insbesondere für reine Wohngebiete. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen. Wenn aber der überwiegende Teil der elektrischen Energie nicht selbst innerhalb der Wohnnutzung verbraucht wird, sondern ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird, ordnet sich die Nebenanlage (Solaranlage) wegen ihrer gewerblichen Nutzung nicht der Wohnnutzung unter und dient auch nicht der Versorgung der Baugebiete. Diese gewerbliche Nutzung von Solaranlagen ist auch nicht ausnahmsweise zulässig.

Der Bundesrat hatte bei der Novelle des BauGB diese "Regelungslücke" erkannt und einen neuen Satz 3 zu § 14 Abs. 2 BauNVO vorgeschlagen, wonach Anlagen zu Nutzung solarer Energie auf oder an Gebäuden zulässig sein sollen, auch wenn sie nicht nur der Versorgung des Grundstücks oder des Baugebietes dienen. Diesem Vorschlag ist die Bundesregierung nicht gefolgt. Trotz der Genehmigungsfreistellung von Mobilfunkanlagen durch den Landesgesetzgeber ist es wohl zu einer Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen über deren bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit in Wohngebieten gekommen. Hiermit ist auch bei der Errichtung von Solaranlagen  zu rechnen.

Die zu erwartende rasche Zunahme von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien werden erhebliche Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung, erhaltenswerte Ortsteile, Straßen und Plätze sowie auf das Ortsbild haben. Gerade auch wegen der der Baugenehmigungsfreistellung von Solaranlagen ist es empfehlenswert, dass Städte und Gemeinden rechtzeitig eine bauplanungsrechtliche Steuerung durch geeignete Festsetzungen prüfen, um der neuen städtebaulichen Herausforderung gerecht werden zu können.

Niklas Schulte
Rechtsanwalt

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