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Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.08.2012

In seinem Urteil vom 07.08.2012 - 7 C 7/11 hat das BVerwG entschieden, dass dem Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage kein subjektives Recht zusteht, kraft dessen er sich gegen eine dem Anlagenbetreiber rechtswidrig erteilte Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 BImSchG wenden kann.

Der Kläger in dem Verfahren begehrte die Aufhebung einer für eine Rinderhaltungsanlage erteilte Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG. Der Kläger ist Eigentümer eines Wohnhauses, das rund 100 Meter von der Rinderhaltungsanlage entfernt liegt.

Mit Bescheid vom 14.10.2005 stellte die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde fest, dass die an der bestehenden Rinderhaltungsanlage geplanten Änderungen (u. a. Umrüstung eines die Ställe als Liegeboxenstall sowie Haltung von 110 Jungrindern sowie Änderung des Haltungs- und Lüftungssystems) keine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Änderungen seien. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich nach der Geruchsimmissionsprognose die relative Geruchsstundenhäufigkeit zwar um 0,01 erhöhe. Dies sei jedoch nach der Geruchsimmissions-Richtlinie irrelevant.

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Magdeburg ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OVG des Landes Sachsen-Anhalt das Urteil des VG, hob den Freistellungsbescheid auf und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zu.

Das BVerwG gab der Revision des Betreibers statt.

Das BVerwG ließ offen, ob der Freistellungsbescheid rechtmäßig ergangen ist, das heißt, ob die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Denn jedenfalls verletze der Freistellungsbescheid den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Regelungsinhalt der Freistellungserklärung beschränke sich auf eine Aussage zur formellen Legalität des Änderungsvorhabens. Sie stelle mit Bindungswirkung ausschließlich fest, dass die geplante Änderung der Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfe. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verfahrensbeschleunigung schließe aus, dem § 15 BImSchG selbst drittschützende Wirkung beizumessen.

Zu einem anderen Verständnis zwinge auch nicht die Notwendigkeit, den beabsichtigten Belangen der Nachbarn Rechnung zu tragen. Denn die §§ 17 Abs. 1 und 20 Abs. 1 BImSchG gewährleisten einen hinreichenden Schutz materieller Nachbarrechte.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG soll die Behörde nachträgliche Anordnungen u. a. dann treffen, wenn nach einer gemäß § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigten Änderung festgestellt wird, dass die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist. Kommt der Anlagenbetreiber nachträglichen Anordnungen nicht nach, kann die zuständige Behörde zudem unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 BImSchG den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der nachträglichen Anordnung untersagen.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Freistellungserklärung etwaige nach anderen Fachgesetzen bestehende Genehmigungserfordernisse unberührt lasse, weil ihr keine Konzentrationswirkung zukomme. Demgemäß sei beispielsweise ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. Der Nachbar könne in diesem Fall wegen einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegen eine erteilte Baugenehmigung vorgehen. Zudem stünden dem Nachbarn auch zivilrechtliche Abwehransprüche zur Verfügung.

Dr. Inga Schwertner
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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