header bundesverfassungsgericht

Die Onlinetagung stellte „Aktuelle Rechtsfragen zum Klimaschutzrecht“ in den Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Zu Beginn der Veranstaltung dankte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht, Herr Dr. Michael Oerder, Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, noch einmal Frau Dr. Kerrin Schillhorn für ihre Vorstandsarbeit und beglückwünschte Frau Dr. Anja Baars zu der angetretenen Nachfolge. Schweren Herzens verwies Herr Dr. Michael Oeder auf den kürzlich verstorbenen Prof. Dr. Heribert Johlen, dessen zahlreiche Verdienste sich ebenfalls auf die Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht erstrecken.

Die Begrüßung abschließend erfolgte die Vorstellung der fünf renommierten Referenten sowie des Diskussionsleiters.

Die Vortragsreihe eröffnete Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke, u.a. Lehrstuhlinhaberin an der Universität Greifswald sowie geschäftsführende Direktorin des Instituts für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS), mit ihrem Vortrag unter dem Titel „Verfassungsrechtliche Grundlagen des Klimaschutzes – intertemporale Freiheitsrechte und die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG“. Ausgangspunkt ihrer umfangreichen Darstellungen bildete der vierte Leitsatz des „fundamentalen Klimabeschlusses“ des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 (Az.: 1 BvR 2656/18). Nach einer anschaulichen Einordnung der dogmatischen Grundlagen, stellte Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke insbesondere die durch das Gericht hervorgehobene intertemporale Abwehrwirkung der Freiheitsgrundrechte in das Zentrum ihrer Überlegungen. Sie führte argumentativ aus, dass es sich hierbei nach ihrer Auffassung um eine Sonderdogmatik für das Klimaschutzrecht handelt, die nicht ohne Weiteres auf andere Rechtsbereiche (u.a. soziale Sicherungssysteme, Artenschutz) übertragen werden könne. Im Weiteren leitete die Referentin die mit dem Gerichtsbeschluss verbundenen Pflichten für den Bund, die Bundesländer sowie die Kommunen her. Sie arbeitete insbesondere heraus, dass für die Bundesländer weder eine unmittelbare Pflicht zur Treibhausgasbudgetierung noch eine solche zum Erlass eines Klimaschutzgesetzes bestehe. Für die Kommunen ergebe sich mit § 13 KSG ein Berücksichtigungsgebot bei der Vollziehung von Bundesrecht. Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke stellte schließlich die steigende Bedeutung des Klimaschutzbelangs in abwägungsrechtlichen Verwaltungsentscheidungen fest. Das abschließende Fazit prognostizierte, dass weitere Konkretisierungen sowie Ausgestaltungen bezüglich des Belangs „Klimaschutz“ eher in verwaltungsgerichtlichen als in verfassungsrechtlichen Verfahren erfolgen könnten.

Prof. Dr. Walter Frenz, u.a. Professor an der RWTH Aachen, öffnete den nationalen Blick auf das Klimaschutzrecht mit seinem Vortrag „Das ‚EU-Klimagesetz‘ und die EU-Klimastrategien“. Er verwies zunächst auf die wesentliche Bedeutung des europäischen Klima- und Energierechts für die nationale Gesetzgebung. Aufgrund der Rahmengesetzgebung der EU sei in Zukunft mit einer zunehmenden Bedeutung der EU-Grundrechte sowie entsprechender Entscheidungen durch den EUGH zu rechnen. Herr Prof. Dr. Walter Frenz führte hierzu eindrücklich aus, dass die Richter am EUGH in ihren bisherigen Entscheidungen dem Klimaschutzrecht keinen Vorrang eingeräumt haben. Vielmehr ist die europäische Rechtsprechung durch den Gleichklang von Ökologie, Ökonomie und Sozialem geprägt. Gleichwohl stellte er im Übrigen anschaulich dar, dass sich die EU vermehrt der Idee „Wirtschaftlichkeit durch Klimaschutz“ zugewandt habe. Diese werde u.a. an den bereitgestellten Finanzhilfen zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs deutlich, die (jedenfalls teilweise) gleichzeitig zur Stärkung des Klimaschutzes verwendet werden sollen. In der Folge zeigte Herr Prof. Dr. Walter Frenz dezidiert die wesentlichen Inhalte der „EU-Klimagesetzgebung“ auf. Hierbei wurde durch den Referenten insbesondere die Rolle der EU-Kommission im Wege des Monitorings betont (Überwachung der kontinuierlich einzureichenden Klima- und Energiepläne/-programme der Mitgliedsstaaten, Abgabe öffentlich wirksamer Empfehlungen). Es folgte eine kurze Darstellung des europäischen Emissionshandels sowie der eindringliche Hinweis, dass der Klimaschutz zukünftig von einem entsprechenden Rohstoffmanagement abhängen könnte. Er endete mit dem Hinweis auf die bestehende Vorbildfunktion der EU für andere Teile der Welt.

Nach der Mittagspause referierte Herr Prof. Dr. Hans-Jürgen Müggenborg, Kanzlei Müggenborg, zu „Die Auswirkungen der Klimaschutzgesetzgebung auf das allgemeine Umweltrecht“. Zunächst leitete der Referent das noch (relativ) junge Rechtsgebiet „Klimaschutzrecht“ her. Er regte in diesem Zusammenhang vor allem eine bessere Verzahnung des Klimaschutzrechts mit dem übrigen Umweltrecht an. Eine solche sei insbesondere mit Blick auf das Bundesimmissionsschutzgesetz, das die anlagenbezogene Abwehr schädlicher Umwelteinwirkungen zum Ziel habe, naheliegend. Herr Prof. Dr. Hans-Jürgen Müggenborg führte sodann souverän durch die normativen Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und untersuchte dieses hinsichtlich der Möglichkeit, Bestandsanlagen aus Gründen des Klimaschutzes zu weniger Emissionen zu verpflichten. Er führte hierzu aus, dass von den Anlagenbetreibern grundsätzlich nur der Stand der Technik zu fordern sei. Dieser werde durch zahlreiche untergesetzliche Vorschriften ausgeformt. Dort ließen sich bisher im Grunde keine Regelungen mit unmittelbarem Bezug zum Klimaschutz finden (u.a. Verweis auf die TA-Luft). Der Referent führte zudem aus, dass ein Widerruf bestehender immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen nur unter sehr engen Grenzen möglich sei (Hintergrund: Art. 14 Abs. 1 GG). Einfach gesetzlich sei in diesem Zusammenhang vor allem § 5 Abs. 2 BImSchG zu berücksichtigen. Herr Prof. Dr. Hans-Jürgen Müggenborg endete u.a. mit dem Verweis auf den Emissionshandel, der bei entsprechender Festlegung eines (strengen) „cap“ einen effektiven Weg zu Emissionsreduktionen darstellen könnte.

Es folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Michael Koch, Büro Planung + Umwelt in Stuttgart, zu „Die Berücksichtigung des Klimawandels in der Umweltprüfung“. Nach einer anschaulichen Einführung zum wissenschaftlichen „Klimabegriff“ (u.a. Unterteilung in Makro-, Meso- sowie Mikroklima) und den Folgen des Klimawandels (Zunahme extremer Wetterlagen, ansteigende Temperaturen, erhebliche Änderung der standortbezogenen Lebensbedingungen), führte der Referent in die Begrifflichkeiten und Strukturen des UVPG ein. Er habe im Rahmen seiner Gutachtertätigkeit stets die Umweltwirkungen (Umweltauswirkungen sowie Umwelteinwirkungen) eines Vorhabens zu bewerten (bauzeitlich, anlagenbedingt, betriebsbedingt, Rückbau). Herr Prof. Dr. Michael Koch wies auszugsweise anhand der gesetzlichen Regelungen des UVPG nach, dass im Rahmen einer gesetzestreuen Umweltverträglichkeitsprüfung ebenfalls die Vorhabenauswirkungen auf das (globale) Klima zu bewerten sind. Dies führe aufgrund fehlender einheitlicher Bewertungsmaßstäbe zu Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis. Der Referent leitete sodann zur baurechtlichen Umweltprüfung in entsprechenden Bauleitplanverfahren über. Anhand ausgewählter praktischer Beispiele und den zugehörigen baurechtlichen Regelungen veranschaulichte Herr Prof. Dr. Michael Koch die Gestaltungsmöglichkeiten des jeweiligen Bauleitplanträgers mit Blick auf den Klimaschutz sowie die Klimaanpassung. Abschließend wies er auf die Notwendigkeit der energetischen Bedarfsverringerung und die Wesentlichkeit tauglicher Klimaanpassungsmaßnahmen hin.

Zum Abschluss referierte Herr Prof. Dr. Herbert Posser, Posser Spieth Wolfers & Partners, Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, in ansprechender Art über „Klimaschutzklagen gegen Unternehmen – Umweltrechtsschutz auf dem Zivilrechtsweg“. Nach einer erhellenden Übersicht über die unterschiedlichen „Klimaklagen“ (gegen den Staat, gegen einzelne Projekte/Vorhaben, gegen Private) sowie die Funktionen der „Strategic Litigation“ („Agenda-Setting“, Mobilisierung des eigenen Lagers sowie der Presse, Druckaufbau gegenüber dem beklagten Unternehmen, Gemeinwohlverträglichkeitsanspruch, „Kampf für die gute Sache“), stand der zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser ist regelmäßig eine der geltend gemachten Anspruchsgrundlagen in entsprechenden zivilrechtlichen Verfahren und richtet sich auf den Schutz des „Rechts auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit“. Auf umfangreiche Ausführungen zu den erforderlichen Kausalitätsbetrachtungen (Kriterium der Äquivalenz, Adäquanz sowie des Zurechnungszusammenhangs) folgte eine dezidierte Einschätzung des Referenten zu den Auswirkungen des Klimabeschlusses des Bundesverfassungsgerichts auf die verfassungskonforme Auslegung des § 1004 BGB. Mögliche Ansatzpunkte könnten in diesem Zusammenhang eine „Klima-Verkehrssicherungspflicht“ sowie die Drittwirkung von Grundrechten (Art. 12, 14, 20a GG) sein. Unter Verweis auf die erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich des Budgetansatzes sowie die Wesentlichkeitstheorie und den Vorbehalt bzw. Vorrang des Gesetzes lehnte Herr Prof. Dr. Herbert Posser nach derzeitiger Rechtsgrundlage eine Haftung nach § 1004 BGB ab. Zusammenfassend könne der Klimaschutz nicht primär im bilateralen Verhältnis zwischen Privaten verwirklicht werden.

Herr Prof. Dr. Martin Beckmann, Rechtsanwalt in Münster, leitete die jeweiligen Diskussionsrunden souverän und moderierte die zahlreichen Beiträge aus dem digitalen Plenum.

Informationen zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht.

Ihr Ansprechpartner:

michael oerder gr

Dr. Michael Oerder
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen AnwaltVerein
Telefon: 0221-973002-73
E-Mail: m.oerder[at]lenz-johlen.de

 

Verfasser dieses Beitrags:

Hofer Nils

Nils Höfer
Rechtsanwalt

Telefon: 0221-973002-18
E-Mail: n.hoefer[at]lenz-johlen.de

Back to top

We use cookies on our website. Some of them are essential for the operation of the site, while others help us to improve this site and the user experience (tracking cookies). You can decide for yourself whether you want to allow cookies or not. Please note that if you reject them, you may not be able to use all the functionalities of the site.