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Entscheidung des BGH vom 11.05.2009 Mit einer Entscheidung vom 11.05.2009 (VII ZR 11/08) hat der Bundesgerichtshof wichtige zivilrechtliche Fragen geklärt, die immer dann auftreten können, wenn sich Vergabeverfahren verzögern und die zunächst vorgesehene Bindefrist der Bieter verlängert werden muss.
In der genannten Entscheidung hatte sich nach öffentlicher Ausschreibung ein Vergabeverfahren um rund ein Jahr verzögert, nachdem ein Konkurrent ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hatte. Während des Vergabenachprüfungsverfahrens wurde die ursprünglich festgelegte Bindefrist mehrfach verlängert. Der Mindestbietende, dem schließlich auch der Zuschlag erteilt wurde, hatte sich auf Anforderung des öffentlichen Auftraggebers mit der wiederholten Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist wiederholt einverstanden erklärt. Als dann schließlich nach Beendigung des Vergabenachprüfungsverfahrens der Zuschlag erteilt wurde, waren die in den Vergabeunterlagen vorgesehenen Bau- und Fertigstellungsfristen objektiv nicht mehr einzuhalten. Der bei Abgabe des Angebots bestehende Weltmarktpreis für Stahl hatte sich in der Zwischenzeit deutlich erhöht.
Auf einen neuen Terminplan konnten sich die Parteien nach Zuschlagserteilung nicht einigen. Nach Abschluss der Arbeiten machte der Auftragnehmer u. a. wegen der veränderten Weltmarktpreise für Stahl einen Mehrvergütungsanspruch geltend. Der BGH bestätig das Bestehen eines solchen Mehrvergütungsanspruchs dem Grunde nach mit folgender Begründung: Durch den Zuschlag des öffentlichen Auftraggebers kommt zunächst ein Vertrag mit genau dem Inhalt zustande, der den Ausschreibungsunterlagen entspricht. Die wiederholt erklärten Verlängerungen der Bindefrist und der Umstand, dass durch diese Verlängerungen die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Zeitabläufe objektiv nicht zu halten sind, ändert nach Auffassung des BGH nichts daran, dass die Zuschlagserteilung zunächst zu einem Vertragsschluss führt, der inhaltlich genau den Ausschreibungsunterlagen entspricht. Überlegungen, dass sich durch die Bindefristverlängerung auch die in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Zeitabläufe verschieben, erteilt der BGH zu Recht eine Absage, die er damit begründet, dass nach § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOB/A Änderungen an den Verdingungsunterlagen durch den Bieter unzulässig sind und es dem öffentlichen Auftraggeber auch nicht gestattet ist, mit Bietern über Änderungen der Angebote und Preise zu verhandeln - § 24 Nr. 3 VOB/A.
Kommt durch die Zuschlagserteilung ein Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen zustande, sehen sich beide Vertragsparteien der Schwierigkeit ausgesetzt, dass die dort vorgesehenen Termine und Fristen wegen Zeitablaufs bereits obsolet geworden sind. Dies steht nach Auffassung des BGH aber einer Wirksamkeit des Vertragsschlusses nicht entgegen, denn da es sich bei Bauverträgen in der Regel nicht um Fixgeschäfte handelt, bleiben die Hauptleistungspflichten davon unberührt, dass zeitliche Leistungsstörungen eintreten oder eintreten können. Der Umstand, dass die vertraglich vereinbarten Fristen aus tatsächlichen Gründen gegenstandslos sind, führt nach der Vorstellung des BGH aber nicht zum ersatzlosen Wegfall der zeitlichen Bindungen. Vielmehr sollen die Parteien gehalten sein, über neue, dem eingetretenen Zeitablauf Rechnung tragende Fristen, eine Einigung herbeizuführen. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und etwaiger Bauerschwernisse oder Erleichterungen durch jahreszeitliche Verschiebungen, ist also eine neue Bauzeit vorzusehen. In dieser Anpassung der Leistungszeit, die – sollten die Parteien sich nicht entsprechend einigen – jedenfalls faktisch eintritt, sieht der BGH eine Situation, die nach den Grundsätzen des § 2 Nr. 5 VOB/B zu lösen ist. Nach dieser Regelung ist für die nach dem Vertrag vorgesehene Leistung immer dann ein neuer Preis zu vereinbaren, wenn durch Änderungen des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für die vertragliche Leistung verändert werden. Im vorliegenden Fall ist der BGH davon ausgegangen, dass durch die zeitliche Verzögerung und die drastische Erhöhung der Stahlpreise eine Änderung der preislichen Grundlagen des Vertrages eingetreten ist, die wie eine Anordnung des Auftraggebers zu sehen ist, weil Verzögerungen des Vergabeverfahrens nicht zu Lasten des Bieters gehen dürfen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze bejaht der BGH eine Anpassung des vertraglichen Vergütungsanspruchs, die in dem entschiedenen Fall dazu führen wird, dass der Bieter eine höhere Vergütung beanspruchen kann, als ursprünglich nach dem Vertrag vorgesehen. Dabei ist zu beachten, dass die Überlegungen des BGH keineswegs nur zu Erhöhungen der Vergütung führen müssen. Sinken beispielsweise im Fall eines verzögerten Vergabeverfahrens Rohstoffpreise in einem vertragsrelevanten Bereich, ist es unter Anwendung der vom BGH formulierten Grundsätze durchaus auch denkbar, dass ein öffentliche Auftraggeber sich auf diese Änderungen beruht und die Vereinbarung eines niedrigeren Preises fordert. Freilich wird es dem öffentlichen Auftraggeber häufig schwerer fallen, als dem Bieter, derartige Marktveränderungen zu erkennen und deren Auswirkungen auf die Preisbildung des konkreten Vertrages zu bewerten.
Thomas Elsner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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