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Erste obergerichtliche Entscheidung zu den "gemischten Interessen" an einem Bauvorhaben

Das OLG Schleswig hat in seinem Beschluss vom 15.03.2013 - 1 Verg 4/12 zu einer bislang noch nicht obergerichtlich geklärten Frage Stellung bezogen, welche für die innerstädtische Grundstücksentwicklung von hoher praktischer Relevanz ist. Die Ausgangslage ist oftmals dieselbe: Eine Kommune möchte die Entwicklung einer städtischen Fläche sichern. Sie schließt aus diesem Grund im Rahmen des geplanten Grundstücksverkaufs ergänzende Verträge mit dem potentiellen Käufer (z.B. Erschließungs- oder Durchführungsverträge). Hierin wird geregelt, dass der Investor neben seinem rein privaten Vorhaben (z.B. Einkaufszentrum oder Wohnbebauung) auch ergänzende Bauleistungen erbringen muss, an denen die öffentliche Hand ein sog. „unmittelbares wirtschaftliches Interesse“ hat (z.B. öffentliche Plätze, öffentliche Parkflächen oder eine Kindertagesstätte). Die Gretchenfrage ist nun, wann in solchen Konstellationen mit „gemischten Interessen“ in einem Projekt ein ausschreibungspflichtiger Bauauftrag vorliegt. „Infiziert“ der öffentliche Anteil am Bauvorhaben den rein privaten Anteil, so dass der Grundstücksverkauf insgesamt ausgeschrieben werden muss? Die Meinungen gehen hier auseinander. Bislang war Kommunen und Investoren aus Gründen der Sicherheit jedenfalls zu raten, die Vorhaben entweder strikt zu trennen oder eine Ausschreibung durchzuführen.

Das OLG Schleswig bringt nun etwas Licht ins Dunkel. Auch wenn bei der Projektentwicklung nach wie vor kein völlig vergaberechtsrechtsfreier Rechtsraum besteht, wurde erstmalig bestätigt, dass sich eine Bauleistung im öffentlichen Interesse vergaberechtlich nicht auswirkt, wenn sie eine unmittelbare Voraussetzung oder Folge des rein privaten Projekts darstellt. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn notwendige Erschließungsleistungen erbracht werden müssen oder ein bereits vorhandener Bestand an öffentlichen Parkflächen im Neubauprojekt (ggf. auch an anderer Stelle) "ersetzt" werden muss.

Ebenfalls wichtig: Bei der relevanten Schwellenwertberechnung müssen die jeweiligen Bauanteile getrennt voneinander betrachtet werden. Eine europaweite Ausschreibung ist daher nur dann zwingend, wenn der öffentliche Anteil für sich alleine gesehen über dem Schwellenwert in Höhe von derzeit € 5. Mio. netto liegt.

Praxishinweis:

Der Beschluss des OLG Schleswig eröffnet neue Spielräume bei der Projektentwicklung. Auch wenn ein Gesamtprojekt aus politischen oder städtebaulichen Gründen nicht ohne die Realisierung von Bauanteilen möglich ist, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse der Öffentlichen Hand liegen, ist eine europaweite Ausschreibung nicht in allen Fällen zwingend. Bei entsprechender Vertragsgestaltung können fallbezogene und praxisgerechte Lösungen entwickelt werden, ohne vergaberechtlichen Zwängen zu unterliegen.

Den Beschluss des OLG Schleswig finden Sie hier.

Martin Hahn
Rechtsanwalt

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