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EuGH entscheidet über Vorlagefrage des Bundesverwaltungsgerichtes, Urteil vom 15.09.2011 - C 53/10 - auch ein Thema für den Einzelhandel

Art 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82 EG begründet die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten langfristig dafür zu sorgen, dass zwischen den unter diese Richtlinie fallenden Betrieben (Störfallbetrieben) und öffentlichen genutzten Gebäuden ein angemessener Abstand gewahrt bleibt. Die Auswirkungen der Richtlinie auf die Genehmigungspraxis der Behörden in Deutschland waren bisher streitig. Eine gewisse Klärung bringt die nunmehr vorliegende Entscheidung des EuGH.

Sachverhalt: Die Parteien streiten um die auf § 34 BauGB gestützte Genehmigung eines Gartencenters innerhalb der Achtungsgrenzen eines Störfallbetriebes (chlorverarbeitender Betrieb). Der Betrieb unterliegt der v.g. EG -Richtlinie. Die Genehmigungsbehörde hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Richtlinie sich nur an den Träger der Bauleitplanung, nicht jedoch an die Genehmigungsbehörde wendet. Außerdem verweist die Genehmigungsbehörde darauf, dass in vergleichbarer Entfernung zum Betrieb bereits weitere öffentlich genutzte Gebäude vorhanden seien. Schließlich könne die Richtlinie im Genehmigungsverfahren bei einer gebundenen Entscheidung einem Vorhaben, welches die Voraussetzungen des § 34 BauGB erfüllt, nicht entgegengehalten werden.

Vorlage: Das Bundesverwaltungsgericht hat dem EuGH drei Fragen zur Entscheidung vorgelegt, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21.09.2011 wie folgt beantwortet hat:

1. Die Richtlinie 96/82 EG wendet sich nicht nur an die planende Gemeinde, sondern auch an die die Planung ausführende Behörde. Anderenfalls könnte sich ein Mitgliedstaat durch Nichtplanung den Rechtsfolgen der Richtlinie entziehen. Die Richtlinie sei daher gerade auch im Anwendungsbereich des § 34 BauGB von den Genehmigungsbehörden „zu berücksichtigen“.

2. Die Richtlinie selbst enthält keine Aussage darüber, welche Abstände zwischen Störfallbetrieben und öffentlich genutzten Gebäuden notwendig sind. Deren Festlegung obliege den Mitgliedsstaaten, denen hierbei ein Wertungsspielraum zur Verfügung stehe. Für die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde im Anwendungsbereich des § 34 BauGB bedeutet dies, dass die Wahrung angemessener Abstände nicht absolut in dem Sinne verstanden werden kann, dass jedes neue Ansiedlungsvorhaben in einem im Zusammenhang bebauten Gebiet, in dem sich unter die Richtlinie fallende Betriebe befinden, untersagt werden müsse. Es ist von der Baugenehmigungsbehörde in jedem Einzelfall zu entscheiden, welcher Abstand tatsächlich erforderlich ist. Hierbei seien namentlich der Anstieg eines Unfallrisikos oder die Verschlimmerung der Unfallfolgen zu berücksichtigen.

3. Werde der so ermittelte notwendige Abstand unterschritten, stehe die Tatsache, dass es sich bei § 34 BauGB um eine gebundene Entscheidung, der Ablehnung des Vorhabens nicht entgegen. § 34 BauGB sei „soweit wie möglich richtliniekonform auszulegen".

Folge der Entscheidung: Gerade Einzelhandelsbetriebe sind öffentlich genutzte Gebäude. Bei ihrer Planung im Anwendungsbereich des § 34 BauGB ist daher zu prüfen, ob in der Umgebung Störfallbetriebe i.S. der Richtlinie 96/82 EG vorhanden sind und welche Achtungsabstände diese jeweils auslösen. Die Stadt Köln bspw. arbeitet inzwischen an einem entsprechenden Kataster. Ergibt eine individuelle Risikobewertung, dass der entstehende Abstand nicht ausreicht, kann die Genehmigung an dem Vorhandensein eines Störfallbetriebes in der Nachbarschaft scheitern.

Dr. Michael Oerder
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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