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Keine europaweite Ausschreibungspflicht für kommunale Grundstücksverkäufe

Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.03.2010 – Rs C-451/08 – haben die Kommunen ihre früheren Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume bei Immobiliengeschäften zurückerhalten. Der EuGH bestätigt darin die Zulässigkeit der Veräußerung kommunaler
Grundstücke an private Investoren ohne europaweite Ausschreibung auch dann, wenn das Grundstücksgeschäft mit städtebaulich motivierten Vorgaben für die künftige Nutzung verbunden wird. Aus einer solchen Verknüpfung zwischen Grundstücksveräußerung und städtebaulichen Vorgaben hatte das OLG Düsseldorf in mehreren Entscheidungen (sog. Ahlhorn-Rechtsprechung) die Verpflichtung zur europaweiten Ausschreibung abgeleitet. Dieser Ausweitung des Vergaberechts ist der EuGH jetzt entgegengetreten. Er betont in seinem
Urteil, dass ein zur Vergabepflicht i.S.d. europäischen Vergaberechts führender öffentlicher Bauauftrag nur dann vorliegt, wenn es um eine Bauleistung geht, die dem öffentlichen Auftraggeber „unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt“. Ein solches unmittelbares wirtschaftliches
Interesse des öffentlichen Auftraggebers bestehe aber nur in folgenden Konstellationen:

 

  • Der öffentliche Auftraggeber wird Eigentümer des auftragsgegenständlichen Bauwerks;
  • Der öffentliche Auftraggeber hat – auch ohne Eigentümer zu werden – ein Verfügungsrecht über das auftragsgegenständliche Bauwerk;
  • Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, aus der künftigen Nutzung oder Veräußerung des auftragsgegenständlichen Bauwerks wirtschaftliche Vorteile zu ziehen.

Dagegen stellt eine Einflussnahme auf die künftige Grundstücksnutzung, welche die Kommune
aus städtebaulichen Gründen im Rahmen der Veräußerung vornimmt, kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse dar. Vereinbarungen zwischen Kommune und Investor z.B. über die äußere Gestaltung des Baukörpers, seine Nutzung usw. reichen daher für ein unmittelbares
wirtschaftliches Interesse nicht aus. Damit bestätigt der EuGH zugleich die Europarechtskonformität des seit dem 24.04.2009
geltenden § 99 Abs. 3 GWB. Darin hatte der deutsche Gesetzgeber in Reaktion auf die Vergaberechtsprechung
als wesentliches Element eines ausschreibungspflichtigen Bauauftrages
definiert, dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute
kommen muss. Nach dieser Entscheidung dürfte die frühere Praxis des kooperativen Städtebaus nunmehr
wieder ohne die Einschränkungen des Europäischen Vergaberechts zulässig sein. Grundstücksgeschäfte
öffentlicher Auftraggeber unterliegen jetzt nicht mehr den sehr restriktiven
Vorgaben, die das OLG Düsseldorf bis zuletzt formuliert hatte.

Köln, den 26.03.2010

Rainer Schmitz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Thomas Elsner
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Der Ausschuss Vergaberecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hat am 12.04.2010 seinen Vorschlag zur gesetzlichen Regelung eines effektiven Rechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte vorgestellt.

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