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Der Ausschuss Vergaberecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hat am 12.04.2010 seinen Vorschlag zur gesetzlichen Regelung eines effektiven Rechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte vorgestellt. Der Ausschuss Vergaberecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hat am 12.04.2010 seinen Vorschlag zur gesetzlichen Regelung eines effektiven Rechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte vorgestellt.

Der DAV wird tätig, da die Regierungskoalition beabsichtigt, den Rechtsschutz für Unterschwellenvergaben zu reformieren. Im Koalitionsvertrag vom 26.10.2010 (Seite 17) wurde vereinbart: „Wir stärken die Transparenz im Unterschwellenbereich. […] Zur Reform des Vergaberechts wird ein wirksamer Rechtsschutz bei Unterschwellenaufträgen gehören.“

Der Rechtsschutz im Unterschwellenbereich ist von hoher praktischer Relevanz, da die ganz überwiegende Zahl öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte vergeben wird. Dementsprechend besteht auf Auftragnehmerseite ein hohes Interesse daran, den Primärrechtschutz so effektiv wie möglich auszugestalten. Auf Auftraggeberseite ist maßgeblich, dass die eigene Handlungsfähigkeit gewährleistet ist und keine Lähmung durch eine Flut von Nachprüfungsanträgen eintritt. Bisher: Sekundärrechtsschutz oder einstweiliger Rechtsschutz vor den Landgerichten Nach geltender Rechtslage hat ein unterlegener Bieter im Unterschwellenbereich zwei Möglichkeiten, sich gegen vergaberechtswidrige Auftragsvergaben zu wehren: Zum einen kann sich der Bieter auf sekundäre Schadensersatzansprüche (Kompensation für einen nicht erhaltenen Auftrag) beschränken, was jedoch im Ergebnis oftmals für alle Beteiligten zu unbefriedigenden Ergebnisse führt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Primärrechtsschutz (Verhinderung des vergaberechtswidrigen Zuschlags an einen anderen Bieter) durch eine einstweilige Verfügung bei dem örtlich zuständigen Landgericht zu erlangen. Da jedoch nicht alle Landgerichte den gleichen Prüfungsmaßstab anlegen, besteht in diesem Bereich ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit. Zudem besteht im Unterschwellenbereich bisher keine Pflicht des Auftraggebers, den bevorstehenden Zuschlag allen Interessenten mitzuteilen. Dadurch hängt ein erfolgreicher Antrag im einstweiligen Rechtsschutz in vielen Fällen auch vom Zufall ab.

Vorschlag des DAV: Primärrechtschutz vor den Vergabekammern und Vergabesenaten der Oberlandesgerichte Der Primärrechtsschutz soll nach Ansicht des DAV aufgrund der genannten Schwächen der derzeitigen Rechtslage nunmehr auch unterhalb der europäischen Schwellenwerte (für die Vergabe von Bauaufträgen € 4.845.000, für die Vergabe von sonstigen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen € 193.000) aus dem System des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) abgeleitet werden. Zunächst müsste der öffentliche Auftraggeber dann auch im Unterschwellenbereich über eine geplante Vergabe informieren. Mit diesem Wissen ausgestattet könnte jeder nicht berücksichtigte Bieter unter Einhaltung der einschlägigen Verfahrensvorschriften die Vergabekammern und in zweiter Instanz die Vergabesenate der Oberlandesgerichte anrufen. Diese auf die Besonderheiten des Vergaberechts bereits eingestellten Spruchkörper sollen dann eine zügige und einheitliche Rechtsprechung gewährleisten.

Damit wäre der primäre Rechtsschutz für Unter- und Oberschwellenvergabe weitestgehend angeglichen. Nach Ansicht des DAV sollen kleinere Verfahrenshürden vorgesehen werden. Diese sollen an die schon bisher im Oberschwellenbereich vorhandenen Regelungen (z.B. Rügeobliegenheiten) angelehnt werden, teilweise aber auch darüber hinaus gehen. Einschränkungen des Unterschwellenprimärrechtsschutzes nach Vorschlag des DAV Wohl auch angesichts einer schon derzeit hohen Belastung der vergaberechtlichen Spruchkörper werden vom DAV neben den ais der Oberschwellenvergabe bekannten Verfahrensvorschriften folgende Einschränkungen vorgeschlagen:
  • Unterhalb einer Bagatellschwelle von 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer (entspricht der Grenze, nach der in der VOB/A 2009 eine freihändige Vergabe zulässig ist) soll auch weiterhin der Weg vor die Vergabekammern versperrt sein.
  • Die Entscheidungskompetenz soll in beiden Nachprüfungsinstanzen im Regelfall auf einen Einzelentscheider übertragen werden.
  • Für den Beschluss beider Instanzen soll lediglich das Parteivorbringen herangezogen werden.
  • Auf eine mündliche Verhandlung darf in beiden Instanzen verzichten werden.
Fazit: Die Vorschläge des DAV orientieren sich an den Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung. Diese Grundsätze des Vergaberechts sind sicherlich bei jeder Reform zu beachten. Praktisch muss dabei jedoch gewährleistet sein, dass die Auftragsvergabe nicht völlig zum Erliegen kommt. Dieses Risiko kann bestehen, wenn zu weitgehende Rechtsschutzmöglichkeiten eingeführt werden. Angesichts der dann zu erwartenden Eingangszahlen an Nachprüfungsanträgen werden die maßgeblichen Stellen im Falle einer Reform wohl nicht umhinkönnen, eine „Aufstockung“ zumindest des erstinstanzlichen Verwaltungsapparates in die Wege zu leiten. Ob dazu Bereitschaft und finanzielle Mittel vorhanden sind, scheint derzeit unklar.

Thomas Elsner, Rainer Schmitz, Martin Hahn

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