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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 20.12.2012 Az.: 4 C 11.11 - entschieden, dass der Verwaltungsgerichtshof in Kassel (VGH) über die Zulässigkeit eines Gartencenters in der Nachbarschaft eines Störfallbetriebs in Darmstadt auf unionsrechtlicher Grundlage neu verhandeln und entscheiden muss.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in Luxemburg zur Klärung mehrerer Fragen angerufen, die die Auslegung der Richtlinie 96/82/EG der Europäischen Union (sog. Seveso-II-Richtlinie) betreffen . Der EuGH hat hierauf mit Urteil vom 15. September 2011 (Rechtssache C-53/10) geantwortet: Die in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie geregelte Verpflichtung der Mitgliedstaaten, langfristig dem Erfordernis eines angemessenen Abstandes zwischen Störfallbetrieben und öffentlich genutzten Gebäuden Rechnung zu tragen, ist auch von einer Behörde zu beachten, die eine gebundene Genehmigungsentscheidung zu treffen hat; das Abstandserfordernis enthält zwar kein Verschlechterungsverbot in dem Sinne, dass es den Genehmigungsbehörden vorschreiben würde, die Ansiedlung eines öffentlich genutzten Gebäudes zwingend zu verbieten; es steht andererseits aber nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen die Genehmigung zwingend zu erteilen ist, ohne dass die Risiken der Ansiedlung innerhalb der Abstandsgrenzen im Stadium der Planung oder der Genehmigungsentscheidung gebührend gewürdigt worden wären.

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass den unionsrechtlichen Vorgaben durch eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts über das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme Rechnung getragen werden kann, sofern die Neuansiedlung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft, die nur planerisch bewältigt werden können, und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof wird zunächst darüber zu befinden haben, welche Abstände im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller störfallspezifischen (technisch-fachlichen) Faktoren angemessen sind und ob das beantragte Gartencenter innerhalb der so festgelegten Abstandsgrenzen liegt. Gegebenenfalls wird er im Rahmen des Rücksichtnahmegebots eine wertende Entscheidung darüber zu treffen haben, ob Umstände von besonderem Gewicht vorliegen, insbesondere solche sozialer, ökologischer oder wirtschaftlicher Art, die es rechtfertigen, das Vorhaben innerhalb der Abstandsgrenzen zuzulassen.

Dr. Inga Schwertner
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht

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